Ich habe schon lange keinen Mann mehr mit Manschettenknöpfen gesehen. Aber Freitag war die
'Lange Nacht der polnischen Literatur' im
IGNIS, seit 25 Jahren das Zentrum für osteuropäische Kultur in Köln. Zu Gast im voll besetzten Plenum der alten Villa in der Nähe von Rhein und Zoobrücke waren zwei jüngere Autoren. Jacek Dehnel, der
Dandy unter den jüngeren Autoren Polens, trug (neben Anzug, Weste, gediegener Krawatte und Taschenuhr - für die Weste!) auch deutlich sichtbar Manschettenknöpfe.
- "Jacek Dehnel wurde am 1. Mai 1980 in Danzig geboren. Er studierte in Warschau, wo er heute lebt und arbeitet, als Kritiker und Übersetzer (z.B. Gedichte von Osip Mandelstam und Philip Larkin) sowie Prosaschriftsteller und Dichter. 2005 erhielt er den Kościelski-Preis, 2007 den „Reisepass” des Wochenmagazins Polityka.
Sein Roman „Lala”, eine Familiensaga, in der die zentrale Figur die Oma des Autors ist, Elżbieta, oder kurz: Lala. Der Enkel ist von der kreglen Alten fasziniert, die so einiges mitgemacht hat – vor allem während des Zweiten Weltkriegs, aber auch davor und danach. Farbig und fröhlich erzählt sie Geschichten aus der eigenen Familie, von Freunden und bekannten Zeitgenossen, und weil sie die Geschichten schon oft erzählt hat, übernimmt der Enkel immer häufiger den Part des Erzählers, als sie älter und schwächer wird.
Ein pralles Sittengemälde ganz im Stil der oral history."
Als relativ 'normal' wurde vom Moderator Albrecht Lempp
Lukasz Debski eingeführt - der nicht einfach nur Caféhausliterat ist wie viele andere auch, sondern dem gleich ein Caféhaus (mit vielen Schränken) in Krakau gehört.
- "Łukasz Dębski (geb. 1975) – Kinderbuchautor, Prosaschriftsteller. Lebt in Krakau, wo er als (Mit-)Besitzer eines Caféhauses unterhalb des Wawel Zeit hat, am Tresen seinen Stammkunden zuzuhören. Da kommt einiges zusammen: die Geschichte vom „Herrn Astronom“, einem großen Liebhaber von Himmels- und anderen Körpern, oder von Karol, dem Teppichhändler aus der Wendezeit, der sich eines Morgens auf einem Perserteppich zu Füßen des Papstes wiederfindet.
Als Kinderbuchautor erzählt er seinen Kindern Geschichten über Krakau und die Welt, in seinen Reiseführern beschreibt er für sie Griechenland, Frankreich oder Italien. Und in „Café Szafé“, so der Titel seines Erzählbands, lässt er den Leser teilhaben an dem, was ihm seine Stammkunden in nächtelanger Arbeit am Tresen erzählt haben."
Obwohl das Publikum sicher zu 90 % aus (auch) polnisch-sprachigen Besuchern bestand, wurden die Texte in deutscher Übersetzung gelesen (von Bernt Hahn und Jörg Hustiak). Für die musikalische Umrahmung sorgten der großartige Gitarrist Arkadiusz Błeszyński und Krzysztof Kozielski (Bass).
Ich hätte in Anbetracht der relativen Jugend der beiden Autoren erwartet, dass modernere Formen und eher zeitgenössische Inhalte zur Geltung kommen würden. Aber beide Autoren verband die Neigung zur kleinteiligen, skurrilen Pointe, die sich aus vielfältigen Abschweifungen ergab. Erzählt wurde (vor allem von Dehnel) von bürgerlichen, ja von großbürgerlichen Verhältnissen, die zwei oder drei Generationen zurück lagen. Die polnische Jeunesse dorée überspringt offenbar die kommunistische Elterngeneration und wendet sich der Vorkriegszeit zu. Bei einem Glas Wein ein interessanter Abend.